M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
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Substanz mit dem Wasser vermischt aus der Erde hervor; so wird
sie durch die Wärme der Sonne und der Luft zu bestehen — con¬
gelari — genöthiget; wie diess ebenfalls in den Buchten ") — areae
salinariae — mit dem Salze geschieht.
Andere Quellen sind wieder, wegen der bittern Säfte des Bodens,
worin sie entspringen, ganz bitter. Als in Pontus der Hypanis
Fluls. Er fliefst von seinem Ursprunge an fast vierzig Meilen und
ist vom sülsesten Geschmacke; darauf aber gelangt er, 160 Meilen
von seinem Ausflusse, zu einem Orte, wo sich ein Quellchen mit
ihm vermischt, das, so äufserst klein es auch ist, dennoch von der
Stelle an, wo es hinein fällt, den ganzen grossen übrigen Strom bitter
macht. Die Bitterkeit dieser kleinen Quelle rührt davon her, dass
sie durch Erdlagen fliefst, worin Sandarach gegraben wird.
Dals diese Verschiedenheit des Geschmacks vermittelst der be¬
sonderen Eigenschaften des Erdreichs entstehe, sehen wir auch an
den Früchten. Wofern nicht die Wurzeln der Bäume oder Wein¬
stöcke oder anderer Gewächse den Saft zur Erzeugung der Früchte
aus des Bodens besonderen Eigenschaften zögen; so würden auch
überall, in allen Ländern, die Früchte von einerley Geschmack seyn.
Wir bemerken aber, dass die Insel Lesbos Protyrer-Wein; Mäo¬
nien Katakekaumener; Lydien Meliter; Sicilien Mamertiner;
Campanien Falerner; Terracina und Fundi Cäcuber; und noch
andere Orte mehr unzählige andere Arten Weine von ganz ver¬
schiedenen Eigenschaften zeugen. Es müssen also wohl nothwendig
des Bodens Säfte sammt ihrem eigenthümlichen Geschmack in die
u) Nehmlich in den Buchten am Meere, welche dazu eingerichtet sind, dass
das Seewasser sich darin aufhalten und verdünsten muss; wodurch das Meer- oder
Bojsalz erhalten wird.