106
M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
Wenn die Bekleidung nun nach obiger Vorschrift gemacht wird,
so erhält sie Festigkeit, Glanz und Dauer: giebt man ihr aber nur
Einen Auftrag von feinem Kalkmörtel, und Einen von gestofsenem
Marmor; so hat sie, ihrer Dünne wegen, zu wenig Festigkeit und
zerspringt leicht; auch bekommt sie, wegen nicht zureichender Stärke,
durch das Poliren nicht den rechten Glanz. Gleichwie ein silberner
Spiegel, der aus einem dünnen Bleche gemacht ist, nur einen trüben
und matten Glanz hat; hingegen ein anderer aus einer starken Masse,
seiner Dicke wegen, einer vollkommenen Politur fähig ist, und daher,
wenn man hinein sieht, das Bild hell und deutlich zurück wirft;
Eben also wird auch die Bekleidung, die aus einer allzu dünnen
Masse verfertiget worden, nicht allein rissig, sondern auch gar bald
blind — evanescere; — hingegen nimmt diejenige, welche aus starken,
festen Lagen von feinem Kalkmörtel und Marmorstuck besteht, und
mit Sorgfalt geschlagen und polirt worden ist, nicht allein den schim¬
merndsten Glanz an, sondern wirft auch, wenn man sich darin spie¬
gelt, das Bild in aller Bestimmtheit zurück.
Die Griechischen Stuckarbeiter — tectores — begnügen sich nicht
mit dieser Methode, die Bekleidung fest zu machen; sondern nachdem
sie in der Mörtelpfanne — mortarium — Sand und Kalk vermischt
haben, nehmen sie ihrer zehn Leute und lassen mit hölzernen Hand¬
rammen — vectis — diesen Mörtel stampfen —pinsare; — und wenn
er also um die Wette — ad certamen — durchgekneten worden ist,
dann eist bedienen sie sich desselben.
Einige hauen daher von alten
1) Galiani irrt sehr, wenn er hier die Worte non modo funt nitentia, sed
etiam imagines expressas aspicientibus ex eo opere remittunt, durch non solo si
Fanno nitidi, ma anche rapresentano chiare agli spettatori le immagini dipintevi¬
übersetzt.