M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
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Loch, wodurch man Wasser hineinfüllt und sie dann an das Feuer
stellt. Bevor sie warm werden, kommt keine Luft heraus; so bald
sich aber die Wärme darin verbreitet, so blasen sie einen sehr hef¬
tigen Wind ins Feuer. So lässt sich aus einem einfachen, kurzen Ver¬
suche die grosse und ewige Theorie vom Wesen der Luft und der
Winde einsehen und ergründen. *)
Ein Ort, von welchem der Wind ausgeschlossen, ist nicht nur
der Gesundheit gesunder Menschen zuträglich; sondern er befördert
auch durch die, aus Abwesenheit des Windes entstehende Tempera¬
tur der Luft, die Genesung von solchen Krankheiten, welche aus
anderen Ursachen entstehen, und welche an anderen gesunden Orten
bloss durch den Gebrauch der Arzneymittel können geheilt werden.
Krankheiten, welche an Orten, so dem Winde offen stehen,
schwer gehoben werden können, sind Schnupfen, Gicht, Husten, Sei¬
tenstechen, Schwindsucht, Blutspeien und alle übrige, welche nicht
durch ausleerende, sondern anlegende Mittel kurirt werden. Der
Grund, warum sie so schwer zu heilen sind, ist dieser: Erstlich,
weil sie aus Erkältung entstehen; und dann, weil, wenn der Körper
bereits durch die Krankheit an Kräften geschwächt ist, die, durch
den Wind in Bewegung gesetzte Luft ihn noch mehr angreift, indem
sie ihn aller Säfte beraubt und auszehrt: da hingegen eine gelinde,
dicke Luft, die vom Winde nicht durchwehet wird, und nicht be¬
ständig ebbet und flutet, wegen ihrer unbeweglichen Stätigkeit, an
die Glieder der Kranken anlegt, und sie stärkt und erquickt.
r) Dals diese Erklärung des Ursprungs der Winde nicht passend sey, fällt leicht in die
Augen. Der Wind der Aolipile entsteht dadurch, dass der aus dem Wasser gebildete
elastische Dampf durch eine sehr enge Öffnung, also mit grosser Geschwindigkeit, auszu¬
gehen genöthiget wird. Im Luftkreise aber kann man sich weder eine so heftige Ver¬
dampfung des Wassers durch die Hitze, noch eine ähnliche Sperrung der erzeugten Dämpfe
gedenken. Siche Gehlers physikalisches Wörterbuch, Art. Windkugel