260
M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
ZEHNTES KAPITEL.
Anordnung und Theile der Bäder. m) — balnege.
Zuerst ist der allerwärmste Platz, das ist, der von Mitternacht und
dem Nordwinde abgewandt liegt, zu erwählen. Die warmen —cali¬
daria — und lauen — tepidaria — Badezimmer müssen von der Win¬
ter-Abendseite her ihr Licht erhalten; sollte jedoch des Orts Beschaf¬
m) Um sich einen Begriff von den Römischen Bädern zu bilden, sehe man a) das
in Galiani's Vitruv Seite 214 mitgetheilte antike Gemälde aus den Bädern des
Titus. b) Die in Kupfer gestochenen Römischen Bäder zu Badenweiler bey
Carlsruh. c) Endlich das prächtige Englische Werk The Baths of the Romans,
explained and illustrated by Cha Cameron, architect. London. 1772. gross Folio
Die beste Übersicht des von der höchsten Simplicität bis zur höchsten Ausschweifung
gestiegenen Luxus in Ansehung der Bäder bey den Römern, wird der Leser aus fol¬
gendem Briefe, welchen Seneca von Liternum, der Villa des Scipio Africanus,
schreibt, erhalten.
„Ich schreibe diess in der Villa des Scipio Africanus. — — Hier schaue
ich eine aus Quadersteinen erbauete Villa; eine Mauer, welche einen Wald umgiebt;
Thürme, welche zu beyden Seiten der Villa als Schutzwehren sich erheben; eine unter
Laubwerk und Gebäuden versteckte Cisterne, welche selbst einem ganzen Heere zum
Gebrauche hinlänglich wäre; und ein kleines, enges Bad, nach altem Brauche finster,
denn nur wenn es dunkel war, deuchte unseren Vorfahren das Bad warm.
„Zum grössten Vergnügen gereicht es mir, eine Vergleichung zwischen Scipio's
Sitten und den unsrigen anzustellen.
„Er — der Carthagens Schrecken war; dem Rom es zu verdanken hat,
dals es nur Einmal erobert worden ist. — Er wusch in diesem Winkel seinen Körper,
ermüdet von Feldarbeit; denn Arbeit war ihm Übung, und er pflegte, so wie es der
Alten Sitte war, sein Land selbst zu bauen! Er stand unter diesem so geringen Dache!
1hn trug dieser so schlechte Fufsboden! — Wer würde sich wohl heut zu Tage mit
einem solchen Bade begnügen? Arm dünkt man sich itzt und gemein, wenn nicht
die Wände von grossen, kostbaren Medaillons glänzen; nicht Alexandrinischer mit Numi¬