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Vom Blute.
im Übermaaße vorhanden, ist er für das Leben schädlich, durchbricht
seine Behälter und ergießt sich entweder an der Oberfläche, oder
in das Zellgewebe, wo er Brand erregt; endlich vermißt man ihn
bei vielen der vollkommensten Gewächse, und es ist nur eine Hülfs
hypothese, wenn behauptet wird, daß er hier farblos, durchsichtig
und daher unsichtbar sey. Der wichtigste Grund, den man für die
Analogie mit dem Blute anführt, ist der, daß der Milchsaft einen
Kreislauf macht; allein dieser ist selbst zu problematisch (§. 692),
als daß sich daraus etwas erweisen ließe. Sollten die Pflanzen ei
nen eigenen, von dem Nahrungssafte verschiedenen, in besondern
Gefäßen umlaufenden Lebenssaft besitzen, so würden sie über allen
wirbellosen und in gleicher Linie mit den Wirbel-Thieren stehen,
denn die Gänge, welche den rohen Saft führen, müßten den Saug
adern, die den Wirbelthieren ausschließlich zukommen, analog seyn.
§. 662. Während die Phytologie hier nur nach Gründen der
Wahrscheinlichkeit urtheilen kann, erfreut sich die Zoologie einer
sicherern empirischen Basis: allein nur eine Linie über diese Grund
lage hinaus, ermangelt auch sie der augenscheinlichen Gewißheit.
„Es liegt in der Beschaffenheit des Blutes, daß die daran wahrge
nommenen Erscheinungen sich jeder Meinung fügen und anpassen
lassen," sagt Burkhart (Nr. 527 S. 21). Und in der That
hat die Hämatologie ganz den Charakter des Blutes selbst. Wie
das Blut ein nie ruhender Proteus ist und sich zu Allem und
Jedem umzugestalten vermag, so ist auch nichts denkbar, was man
nicht von ihm ausgesagt hätte: hier ist keine Thatsache, die nicht
geleugnet, keine Deutung, die nicht durch eine andere bekämpft
worden wäre; über jeden Punct werden entgegengesetzte Erfahrun
gen und Ansichten aufgestellt. Wie das Blut einerseits durch ei
nen klaren Mechanismus getrieben wird und treibt, andererseits mit
Zaubergewalt schafft und belebt, so finden wir die Hamatologie
bald in mechanischen Ansichten erstarrt, alle Thatsachen, welche
nicht darein passen, steif leugnend, bald wieder in mystischen Theo
rieen wirbelnd, welche das Begreifen als eine niedere Function ver
schmähen, von einer Erkenntniß durch Vergleichung mit andern
Naturerscheinungen nichts wissen wollen und entweder eine beweis
lose Anschauung der sinnlichen Erfahrung entgegensetzen, oder um¬